Im Einsatz für Gerresheimer in China
Düsseldorf, 25. August 2014. Der Produktionsexperte Jürgen Gossmann ist fest davon überzeugt, dass Europäer viel von den Chinesen lernen könnten. Dazu gehört auch ‘Gei-mian-zi‘ - das konfuzuianische Prinzip das Gesicht eines anderen Menschen zu bewahren und zu achten.
Seine Begeisterung für Asien zog Gossmann immer wieder in die verschiedensten Länder dieser Region. Mit Gerresheimer kam er schließlich nach China und führte dort zwei Jahre lang die Geschäfte des Standortes, an dem Kosmetikglas produziert wird.
Vor seinem Ingenieursstudium der Produktionstechnik erlernte Gossmann den Beruf des Werkzeugmachers. Diese Wissenskombination macht ihn zu einem vielseitigen Spezialisten für alle Abläufe in der Produktion von Behälterglas und zu einem versierten Chef für die Mitarbeiter an der Produktionslinie.
Sowohl beruflich als auch privat sammelte er viele wertvolle Eindrücke und Erfahrungen in einer Welt, die einem Europäer nach wie vor Rätsel aufgibt oder auch nur einfach Staunen lässt.
Wie Jürgen Gossmann das Leben und das Arbeiten in China erlebt hat, schildert er hier in diesem Interview.
Wie kam es zu Ihrem Einsatz bei Gerresheimer in China?
Aufgrund von organisatorischen Veränderungen in unserem Moulded Glass Werk in China wurde ein General Manager zur operativen Führung und Umstrukturierung des Werkes gesucht. Die Wahl fiel auf mich, da ich schon vor meinem Einsatz erfolgreich mit unserem chinesischen Werk zusammen arbeitete und es einige Mal besucht hatte. Kurz, die chinesischen Kollegen kannten mich bereits.
Welches Bild hatten Sie vor Ihrem Einsatz von China und wie hat sich dieses Bild durch ihre Zeit dort verändert?
Ich hielt China, wie viele andere auch, für ein Entwicklungsland. Das trifft heute allerdings nur noch auf das ländliche China zu. Die großen Metropolen wie Peking und Shanghai sind hochmoderne Städte mit neuester Technologie und einer modernen Infrastruktur. Der Wandel und die Geschwindigkeit, in der sich China verändert, ist enorm.
Ich bereise Asien seit mehr als 25 Jahren. Nur China hatte ich bislang vermieden, da die Einreiseformalien, beispielsweise durch die Visumpflicht, nicht so einfach sind. So war ich sehr froh, beruflich begründet bereits 2006 nach China beziehungsweise nach Peking zu kommen. Damals waren die Vorbereitungen auf die olympischen Spiele 2008 in Peking und die Expo 2010 in Shanghai in vollem Gange.
Was hat Sie am meisten an China beeindruckt?
Die über 4000 Jahre alte chinesische Geschichte ist so alt oder sogar noch etwas älter als unsere eigene frühe Geschichte. Mir wurde in China sehr schnell bewusst, wie wenig mir über China und Asien in der Schule vermittelt wurde. Im Umkreis von Peking ist vor allem die chinesische Mauer die weltweit bekannteste Sehenswürdigkeit. Der Aufstieg auf die Mauer ist ziemlich anstrengend. Aber schließlich steht man ziemlich verschwitzt dort oben und hat einen genialen Blick. Wenn man dann überlegt, wie und unter welchen Umständen diese 8.850 Kilometer lange Mauer seinerzeit errichtet wurde, ist man tief beeindruckt. Es erscheint einem einfach unglaublich.
Im täglichen Leben ist es für mich als Europäer erstaunlich, wie so viele Menschen auf engem Raum einigermaßen geordnet zusammenleben können. In Peking leben heute mehr als 23 Millionen Menschen. Der australische Kontinent hat etwa genauso viele Einwohner und im Ruhrgebiet leben gerade mal 5,3 Millionen. Was das für die Infrastruktur bedeutet kann man kaum beschreiben, man muss es gesehen haben! Bedauerlicherweise bringt diese große Bevölkerungsdichte auch eine Menge anderer Probleme mit sich, beispielsweise die allgegenwärtige Luftverschmutzung und auch Wasserknappheit.
Wie arbeiten Chinesen im Vergleich zu ihren deutschen Kollegen und Kolleginnen?
Ich habe die Chinesen als sehr fleißig und auch wissbegierig kennengelernt. Die Arbeitsweise der Chinesen unterscheidet sich schon ein wenig von der unseren. Gesellschaftlich und kulturell bedingt, ist die Arbeitsstruktur hierarchischer aufgebaut. Auch spielt die kommunistische chinesische Partei eine prägende Rolle im Arbeitsleben. Sie sorgt für die eine oder andere soziale Komponente sowie Verbesserung und überwacht auch deren Einhaltung, ähnlich wie bei uns die Gewerkschaften.
Was hätten Sie in China am allerwenigsten erwartet?
Man sagt, die chinesische Sprache sei nicht schwierig, da sie immerhin von 1,4 Milliarden Menschen gesprochen wird. So ist es eine Tatsache, dass man mit englischen Sprachkenntnissen, bis auf die absoluten Touristikzentren, in China so ziemlich verloren ist, was ich so nicht erwartet hätte. Straßenschilder sind maximal in den Städten mit Englisch unterlegt, sobald man aber die Stadt verlässt, ist eben alles nur noch rein chinesisch. So war ich doch sehr oft auf chinesisch-kundige Personen angewiesen, sonst wäre ich sowohl bei Behörden als auch außerhalb der normalen täglichen Pfade nicht zurecht gekommen. Ich habe das allerdings auch als Chance verstanden, mich sowohl um die Sprache zu bemühen, als auch sehr aktiv auf Menschen zuzugehen, die mir auch gerne weiter halfen.
Welche Erkenntnisse aus dieser Zeit fließen heute in Ihre neue Aufgabe ein?
Eine der Erkenntnisse ist das ‘Gei-mian-zi‘ ???. Das bedeutet das Gesicht eines anderen zu respektieren und ihn nicht durch die eigenen Handlungen oder Worte in unangenehme Situationen zu bringen. Es ist eine der wichtigsten Verhaltensregeln in China überhaupt und wird von klein auf beigebracht und gelebt. Als Europäer ist das schon ungewöhnlich und auch befremdlich, wenn ein Chinese umso mehr lächelt, je mehr man sich über etwas aufregt oder direkt „mit der Tür ins Haus fällt“. Das Gesicht des anderen und das eigene zu wahren - die Berücksichtigung dieser Verhaltensweise macht die Zusammenarbeit und auch das Lösen von Konflikten zwar nicht schneller, aber am Ende einfacher und kostet weniger Nerven.
Natürlich bin ich nun kein neuer oder geläuterter Mensch und ein Chinese wird man in zwei Jahren auch nicht. Aber der erfolgreiche und positive Umgang mit einer solchen für uns fremdem Kultur ist eine sehr wertvolle Erfahrung. Ich denke, dass ich die Veränderungen und Themen, die mich nach der Rückkehr in Deutschland erwartet haben, sehr viel gelassener und zuversichtlicher anging und auch die, die noch vor mir liegen, sehr viel gelassener und zuversichtlicher behandeln werde. Und Aufgabenstellungen, welche China betreffen, sind für mich nicht mehr das 'große Unbekannte' sondern vielmehr ein 'Heimspiel'.
Über Gerresheimer
Gerresheimer ist ein weltweit führender Partner der Pharma- und Healthcare-Industrie. Mit Spezialprodukten aus Glas und Kunststoff trägt das Unternehmen zu Gesundheit und Wohlbefinden bei. Gerresheimer ist weltweit vertreten und produziert mit seinen 11.000 Mitarbeitern dort, wo seine Kunden und Märkte sind. Mit über 40 Werken in Europa, Nord- und Süd-Amerika und Asien erwirtschaftet Gerresheimer einen Umsatz von mehr als 1,3 Milliarden Euro. Das breite Angebotsspektrum umfasst pharmazeutische Verpackungen sowie Produkte zur einfachen und sicheren Verabreichung von Medikamenten: Insulin-Pens, Inhalatoren, vorfüllbare Spritzen, Injektionsfläschchen, Ampullen, Flaschen und Behältnisse für flüssige und feste Medikamente mit Verschluss- und Sicherheitssystemen sowie Verpackungen für die Kosmetikindustrie.